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Der 60. Geburtstag

Jahre geh’n so schnell vorbei.
2 vor 0, und dann die 3.
Bei der 4 wird nichts gedacht,
und die 5 kommt über Nacht.

Doch die 6 erwischt dich kalt.
Plötzlich denkst du: „Ich bin alt!“
Rente rückt in klare Sicht,
nur das Kleingedruckte nicht

auf der Karte zum Menü.
Merkt der Ober deine Müh‘,
bietet prompt der junge Mann
den Seniorenteller an.

Gramversunken und nicht satt,
fühlst du dich beim Aufsteh’n matt.
Gut könnt‘ ein Rollator sein,
denkst du noch, dann steigst du ein

in die Bahn, das Haar verschwitzt,
atmest schnell – ein jeder sitzt.
Neben dir ein alter Mann,
bietet dir den Sitzplatz an,

steht vor dir als Supergreis,
gibt dir seine Muskeln preis,
hält sich fest mit einer Hand,
unnachgiebig ist sein Stand.

Wissend ruht sein wacher Blick
nun auf dir. Was ist sein Trick?
Und als ob er dies auch weiß,
sagt er dir, wie auf Geheiß:

„Schau’n Sie nicht so sorgenvoll,
weil der Alte stehen soll.
Ich war auch so jung wie Sie –
diese Zeit vergess‘ ich nie.

Damals hatt‘ ich nur gedacht.
Nicht geschlafen, nicht gelacht.
Wurde müd‘, die Knochen schwer
und der Kopf gab nichts mehr her.

Ach, wie kam ich alt mir vor!
Fast senil, ein müder Tor.
Bis ich in den Spiegel sah,
und da wurde es mir klar.

„Schwer sein“, das war meine Sicht.
Doch die Augen war’n es nicht,
sahen noch in mir das Kind:
Darauf strahlten sie geschwind.

„Alt sein“ war in meinem Kopf,
aber nicht der weiße Schopf.
„Müd‘ sein“ war in meinem Hirn,
aber nicht die Faltenstirn.

„Frisch sein“ stellte ich mir vor:
Meine Falten ich verlor.
Die Idee, ich sei gesund,
machte meine Wangen rund.

Der Gedanke, froh zu sein,
brachte mir ein Lächeln ein.
Und der Glaube, ich sei jung,
brachte meinen Kopf in Schwung.“

„Wenn Sie einmal achtzig sind“,
meinte er dann noch geschwind,
„wird das Leben wertvoll sein,
wie ein guter, alter Wein.“

Als er ausgestiegen war,
wird es dir allmählich klar,
einen Vorteil drin zu seh’n,
dass die Jahre schnell vergeh’n.

Weil mit 60 noch zu jung,
bist du müd‘ und ohne Schwung.
Der Gedanke ist famos,
lässt dich staunen, nicht mehr los.

Etwas leichter steigst du aus,
etwas schneller, Brust heraus,
unbewusst im Wiegegang
kommst du dann zuhause an.

Nur das Ticken von der Uhr,
ist zu hören auf dem Flur,
wo die Garderobe steht
und ein Spiegel, der sich dreht.

Augen seh’n dich, wach und jung,
Wangen rot, der Mund ein Schwung,
deine Haare stürmisch wild:
Ja, das ist dein Spiegelbild.

© Anita Hasel (2018)

Zum Geburtstag

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Gedichte


Geburtstagswünsche

Wie heute soll die Sonne immer für dich strahlen,
der Morgenhimmel soll dir rosa Wolken malen,
am Mittag sollen Rosen dich am Wegrand grüßen
und dir die Träume in der Nacht versüßen.


Dein Garten soll
so grün,
voll saftig praller Früchte sein,

wo Düfte blüh’n
und Himmelswesen
trunken von dem hellen Schein

ins Blau
der Wattewolken sinken –

dort sollst du
Nektar trinken.


© Anita Hasel