Alle Weihnachtsgedichte © Anita Hasel
Der Geist der stillen Nacht
Dort wo Menschen mit Bedacht
Freude tanken,
Freunden danken,
dort, ganz ohne Prunk und Pracht,
wohnt der Geist der stillen Nacht.
Rosenwinter
Herbei gekommen sind liebliche Kinder
mit Notenständern und Flöten im Arm,
beim Budenzauber im frostigen Winter:
Nie waren Hausfilzpantoffeln so warm!
Peter zog nie diese Wollmütze auf,
hasste das hässliche, kratzende Ding.
Ärgerlich sinnlos war damals der Kauf,
doch heute passt sie zu “Kling Glöckchen kling”.
Andächtig schleichen die seligen Rotten,
atmen die süße Besinnlichkeit ein,
Freunde und Feinde in Einigkeit trotten,
noch dreißig Meter zum glühenden Wein.
Dampfende Gläser in rötlichen Händen,
Schulter an Schulter mit tröstlichem Met,
kauern sie eng an den putzlosen Wänden,
dort wo der einsame Wachstuchtisch steht.
O sieh die lieblichen Kinderlein gehen,
reich mit den leckeren Gaben beschert.
Doch die Erwachsenen müssen noch stehen,
bis sie den letzten Becher geleert,
bis sie das letzte Liedchen gesungen,
heilige Nächte im goldenen Schein,
dort wo die letzte Rose entsprungen.
Lebkuchenherzen sind nicht gern allein.
Advent im Genick
Advent, Advent,
Christine rennt,
den Kerzenkranz zu kaufen.
O Tannenduft,
liegt in der Luft.
Die Zeit ist abgelaufen.
Wohin sie blickt,
ein Engel nickt,
und zwinkert mit Pausbacken.
Der Lichter Tanz
im Glitzerglanz
tut weh im steifen Nacken.
Die Tanne sticht,
im grellen Licht –
der Kranz ist klein und teuer.
Vier Dochte weiß
entzünden leis’
ein stilles Freudenfeuer.
Advent, Advent,
die Liebe brennt
an düsteren Fassaden.
Die Glocke klingt,
das Christkind singt
trübselige Balladen.
In jedem Haus
ein Gaumenschmaus,
die Made lebt im Speck.
Der Esel friert,
und Gott verliert
im Kaufrausch seinen Zweck.
Der Christstern blüht,
im Glühwein glüht
die Wärme uns’rer Herzen.
In stiller Nacht
die Trauer wacht
im Flackerschein der Kerzen.
Advent, Advent,
Christine rennt,
gepackt vom Sog der Zeit.
Ein heller Stern,
er leuchtet fern.
Der Weg dorthin ist weit.
Eine Weihnachtsüberraschung / Der Nebeljunge
Die Nacht war still, doch klingeling,
da bringt der Nachbar mir ein Ding,
so ein Paket mit großen Schleifen,
die sind nur rot und nicht zum Greifen.
Posaunenbacken sagt er keck:
„Auf Ihrem Nachthemd ist ein Fleck.
Hab ich Sie aus dem Schlaf gerissen?
Da hätt‘ ich gar ein schlecht Gewissen!“
Grad so verbeiß ich mir zu sagen:
„Ich schlafe nie an Feiertagen.“
Mein trüber Blick sieht etwas funkeln –
ein Rentier glitzert noch im Dunkeln.
Da zerrt das Ding an meinen Armen,
will zu mir hoch, kennt kein Erbarmen,
die Treppe ächzt mit jedem Schritt,
und die Haubitze scheppert mit.
Ra-Rumms, es zittern nicht nur meine,
vor allem auch des Tisches Beine.
Da liegt es nun, so gut verpackt,
dass mir ein Fingernagel kracht.
Bei wem kann ich mich jetzt beschweren?
Wer wollte mich so spät bescheren?
Kein Name ist darauf zu finden,
da hilft nur noch es aufzubinden.
Ich fummle an den roten Schlingen.
Aha, es kommt aus Überlingen!
Ich reiße an dem festen Pack
und sehe einen dicken Sack.
Die Jute zeigt sich störrisch gar,
das Messer auch mal schärfer war,
doch gut genug um mich zu schneiden,
kann rote Spritzer nicht vermeiden,
sie zieren jetzt auf grauem Stein
ein Bild, auf dem ein Ackerrain
im Nebel schwer erkennbar scheint –
ein Junge sitzt am Weg und weint.
Verdutzt studier‘ ich das Gebilde.
Was führte jener nur im Schilde,
der mir dies traurig Ding geschenkt,
an das man nicht im Alptraum denkt?
Ich dreh‘ es um und finde Worte,
verkratzt und von der alten Sorte,
wie früher man sie niederschrieb.
Das meiste noch gut lesbar blieb:
Ich hab’s gemalt, auf Stein gefasst,
ein jeder hat das Bild gehasst,
das ich geliebt, doch jeden Dieb,
es hastig aus dem Heim vertrieb.
Sehr lange hing es an der Wand,
zum Kaufen sich gar niemand fand.
Besucher kamen nicht mehr rein,
mein Herz hing an dem Bild allein.
Die Einsamkeit ward immer schwerer
und auch mein Beutel wurde leerer,
bis eines Tags ein Mädchen kam,
das mein Gemälde an sich nahm.
Sie hielt es schweigend – was sie dachte
blieb mir verborgen, bis sie lachte.
Verwundert fragt‘ ich nach dem Grund,
da kam es klar aus ihrem Mund:
„Der Junge hier am Ackerrand
ist seinen ganzen Weg gerannt.
Jetzt sitzt er da und ruht sich aus
und freut sich auf sein Bett zuhaus‘.
Der Nebel ist schon aufgestiegen –
er sieht sich schon im Bette liegen,
voll Freude reibt er sich die Augen,
die bald zum Schlafen nur noch taugen.
Sie deutete ins trübe Grau
auf meinem Bild: „Schau doch genau!
Er muss nur ein paar Schritte gehen,
dann kann er es ganz deutlich sehen.
Der Junge durch den Nebel lief,
zu diesem Haus, das Dach war schief,
die Fensterläden waren blau,
und vor der Tür stand eine Frau.
Ein Hund kam hechelnd angerannt,
sein Bellen weithin ward erkannt,
wild tropfte seine rote Zunge.
Zuhause war der Nebeljunge!
Nun war ich wach, das muss ich sagen,
konnt‘ nicht mehr über Trübsinn klagen,
wollt‘ dieses Bild nun anders sehen,
ich war dabei, es umzudrehen,
doch was ich sah, ließ mich erbeben,
noch nie in meinem Erdenleben
fand ich ein Bild so fesselnd gar:
Das Nebelkind verschwunden war!