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Winter

Alle Gedichte © Anita Hasel


Mannheimer Mundart

Die Schlagloch-Säsong (Die Schlagloch-Saison)

Uff unsre Stroße is was los,
Ihr liewe Leit, isch sag Eisch bloß!
O Lympia, do werschde blass,
denn hier in Mannem uff de Gass
dut die Schlagloch-Säsong beginne,
doch leider konnscht do nix gewinne.
— weiterlesen —


Es ist noch Winter, doch die Hyazinthe im Glas vor dem Fenster weiß das nicht. Sie wächst und blüht und duftet – während sie hinaus schaut und den Winter beobachtet. Was ihr dabei wohl durch den Kopf geht?

Die Hyazinthe

Sie hat sich, als es keiner sah,
aus altem Zwiebellook geschält,
ein Kleid beim Winterschlussbazar
mit weißem Sternenglanz gewählt.

Gemacht aus samtig weichem Garn,
aus dem man Frühlingsträume spinnt,
zog sie das Kleid noch zaghaft an.
Doch nur wer wagt, der auch gewinnt.

Nun soll sie niemand überseh’n,
als schmucker Spross mit edlem Wuchs.
Bleibt sie vorm hellen Fenster steh’n,
entbietet jedem Baum den Gruß.

Da winken Kronen ihr geschwind,
ein Publikum für ihren Glanz,
wiegt seine Äste fest im Wind,
ein Schunkelheer beim Blättertanz.

So viel Beachtung füllt sie aus,
sie strengt sich noch mal richtig an
und legt den schönsten Duft nun auf,
dem niemand widerstehen kann.

Ein Hauch von Honig, süßem Wein.
Nun ist sie die Verführung pur,
für die Natur, die schaut herein
und scheint zu warten: Worauf nur?

Wer saugt den Nektar gierig leer?
Geduld ist nicht für sie gemacht.
Die Blütenkelche werden schwer,
sie senkt das Haupt schon für die Nacht.

Und träumt von dem, was sie erfuhr –
im Winter, der kein Frühling war:
Die Kraft, das Drängen der Natur
mit Glanz vom Winterschlussbazar.


Im Zauberland der Kerzen

Sieh’ nur, wie die Watteflocken
fröhlich taumeln, tanzen, schweben.
Reines Weiß will erdwärts streben,
Frohsinn aus den Häusern locken.

Spür’ nur, wie die Uhrenherzen
sanfter pochen, ticken, schlagen,
und sogar den Stillstand wagen,
jetzt: Im Zauberland der Kerzen.


Zeit zu Besuch

Der kurze Tag ist fast schon warm.
Die Sonne nimmt mich in den Arm.
Sie streichelt meine blasse Haut.
Der Wind ist still, der Reif getaut.

Die Spatzen stimmen überein
beim Stelldichein im Sonnenschein
ertönt der Glocken ferner Klang.
Die Zeit wird mir so herrlich lang.

So unverhofft, und das ist schön,
der Zeit beim Bleiben zuzuseh’n.
Schon sprießt und rankt in meinem Sinn
die Fantasie; ich halt sie hin

als Angebot in meiner Hand,
ganz ohne Sinn, ohne Verstand.
Du liebe Zeit, bleib doch bei mir
als wacher Traum im Jetzt und Hier!

Da frischt der Wind ein wenig auf.
Die Spatzen picken nun zu Hauf,
um satt zu sein in kalter Nacht –
an’s Futter hat mein Mann gedacht.


Weißer Tanz

Schwerelose tanzen in den Lüften
wirbeln hoch wie zarte Spreu

um zu sinken, sacht und leise
weicher Gruß auf langer Reise
taumelt hin zu warmen Düften

und bedeckt die müde Welt
die ins weiße Kissen fällt

das die eisgekühlten Wangen
wärmt mit hellem Hüttenschein

macht das Graue wieder rein
und das Raue wieder blank

so als hätt’ es angefangen
unbescholten ganz von vorn’

alles ist wie neugebor’n
wenn die Schwerelosen tanzen.


Lichtblicke

Nach oben schau ich: Ach wie grau!
Die feuchten Nebelschwaden schleichen
um alle Häuser, kalt und rau.
Kein Sonnenstrahl kann sie erreichen.

Der Himmel deckt die Erde zu,
als wollt’ sie sich schon schlafen legen.
Dabei ist’s Mittag! Ach, wozu,
soll ich das kleine Pflänzlein hegen?

Ich hab’s gepflanzt doch viel zu spät,
die Sonne lässt es nicht mehr sprießen.
Kaum auf, schon dass sie untergeht,
und jetzt fängt es noch an zu gießen.

So sind Gedanken wie die Tage,
oft grau und schwer und ohne Licht.
Vergessen ist ganz ohne Frage
der Frühling, der ist außer Sicht.

Doch halt, was lass’ ich mich verdrießen?
Die Ruhe kehrte wieder ein!
Lern’ wieder, Tee und Wein genießen
und wieder gern Zuhaus’ zu sein.

Denk’ ich zurück, was gestern war,
was dieses Jahr für mich gebracht:
Mal hell und licht und sonnenklar,
und manchmal auch nur finst’re Nacht.

Es hilft, daran zurück zu denken,
was mir geschenkt war schön und gut.
Den Blick auf helle Tage lenken,
schenkt für die Zukunft neuen Mut.


Zeit der Kerzen

Der Sonne Kraft versinkt im Tal,
die Nebelschwaden schimmern fahl.
Des Tages Frist ist viel zu knapp,
so früh schon löst die Nacht ihn ab.

Die Zeit der Kerzen ist jetzt wieder,
wir lauschen wieder leisen Liedern
und halten Rückblick auf das Jahr,
fast schon vorbei, verflogen gar.

Des Sinnes Sinnen zum Verdruss,
gelangen wir dann zu dem Schluss:
Was uns geschenkt, was uns erfreut,
gehört uns doch nur kurze Zeit.

So grämen wir, in einem fort,
uns an dem glückbeschien’en Ort.
Die Freude stirbt vor lauter Pein,
zu fürchten: Was kann morgen sein?

Doch Morgen liegt in weiter Ferne,
so unerreichbar wie die Sterne.
Das Heute nur uns Glück beschert,
das Hier allein der Mühe wert.

Genieße jetzt die ruhige Zeit,
die Augen auf, das Herz mach weit.
Im Augenblick das Glück zu finden,
das heißt, dem Sog der Zeit entschwinden.

Bei Glühwein, Tee und Kerzenschein,
zu Zweit vereint – oder allein.
Lass die Gefühle dich dann führen,
nur in dich lauschen, ganz tief spüren,

wie Friede einzieht in dein Herz,
vergessen Hektik, Leid und Schmerz.
Im Hier und Jetzt dann Eins zu werden,
das ist das höchste Glück auf Erden.